Stefans Abenteuer im Land der fehlenden Berge und in der Physik
Über mich
StefanIch bin seit Juni 2007 Doktorand an der TU Delft, Niederlande. Neben (theoretischer) Physik interessiere ich mich für Politik, Bücher aller Art und Radfahren. Für weiteres, siehe meine Homepage.

Montag, 31. März 2008

Schweiss statt Sangria - eine Woche Radfahren auf Mallorca

Ja, also alles fing mal mit einer Mail von Carsten an: wir müssen mal unbedingt wieder zusammen Radfahren. Sein Vorschlag: Mallorca. Naja, ich war dann erstmal ein bisschen skeptisch, da ein Trip nach Mallorca zwei Sachen mit sich bringt, die ich auf den Tod nicht ausstehen kann: a) Party-Touristen und b) Fliegen. Was das Fliegen angeht, da kommt man wirklich nicht drumherum, aber in Sachen Party-Touristen hatten wir Glück. Da ja noch früheste Vorsaison war, gab es praktisch keine. Zumindest nicht in Can Picafort, wo wir waren. Könnte auch daran liegen, dass dort noch die meisten Hotels und alle anderen Tourifallen geschlossen waren. Und nun, was Fliegen angeht: Irgendwie war es dann doch halb so wild. Ist halt doch ein Unterschied ob man nur nach Malle fliegt oder gleich Transatlantik. Auf jeden Fall ging alles problemlos, auf dem Flughafen in Palma wartete auch schon Carsten und unseren Busfahrer nach Can Picafort hatten wir auch schnell gefunden. Wir hatten allerdings ein kleines Problem mit ihm: Auf seine Frage, woher wir kämen antworteten wir -- wahrheitsgemäss -- Amsterdam bzw. Frankfurt. Aus seiner Liste standen aber nur zwei Personen vom Flug aus Amsterdam, und ihm klar zu machen, dass wir in der Tat diese zwei sind obwohl Carsten eigentlich aus Frankfurt kam, war eine mittelschwere Übung in Gebärdensprache. Naja, wer in der Touribranche arbeitet sollte halt wenigstens ein bisschen Englisch können. Schlussendlich schafften wir es dann zum Hotel und konnten dann schon abends unsere Mieträder abholen. Mit dieseb sind wir dann gleich noch für eine Stunde die Küste entlanggejagt und haben wohl eine halbe Armee Radfahrer demoralisiert. Die: Nach 100+ km langsam auf dem Zahnfleisch gehend und Richtung Hotel schleichend. Wir: frisch aus dem Flieger, den ganzen Tag nix getan und daher vergleichsweise fit. Und daher flogen wir nur so an den anderen so vorbei, auch an den ganzen Fanatikern mit ihren unendlich viel besseren Rädern.

So, nun zweiter Tag: Der Plan war, zum Cap Formentor zu radeln, der äußersten Nordwestspitze Mallorcas. Zuerst ging es dann die schon gestern erprobte Strecke nach Alcudia, immer der Kueste entlang. Aber im Vergleich zum Vortag windetete es wie verrückt. Natürlich aus der falschen Richtung. Beim Radfahren windet es ja immer aus der falschen Richtung. In Alcudia
machten wir dann unsere erste Erfahrung damit, wie in Spanien Schilder platziert werden: Irgendwo in der hintersten Ecke, so dass man sie auf keinen Fall sehen kann und daran vorbeifährt. Nun gut, nach einer Stunde Irrfahrt in eine Sackgasse, welche in einem Golfplatz endete, kamen wir wieder an eine Stelle die uns bekannt vorkam: Das Stadttor von Alcudia! So ein Scheiss. Nach ein paar nicht mehr nachvollziehbaren Haken kamen wir dann schlussendlich in Port Pollenca an, dem Ende des flachen Streckenstücks. Von hier aus gibt es nur noch eine Strasse zum Cap, also keine Chance auf Verfahren. Allerdings springt die selbige Strasse immer von einer Küste zur anderen, zwischendrin immer ca. 200 Hoehenmeter oder so. Anfangs konnte ich mit Carsten noch Recht gut mithalten, doch irgendwann ging mir der Dampf aus und ich quälte mich und quälte mich.... Carsten war schon weit vor mir und mir viel es langsam schwer seiner Behauptung zu glauben, dass er absolut untrainiert sei. Die natürliche Ordnung war ja bisher immer, dass ich ihm am Berg wegfahre und nicht andersrum. Auf jeden Fall kamen wir schlussendlich am Cap an, wenn auch der Wind mehr und mehr Probleme machte. Man musste schon richtig gut aufpassen, dass man -- wenn man z.B. aus dem Windschatten der Berge kam -- nicht buchstäblich von der Strasse geblasen wurde.

Nun, der dritte Tag lässt sich ziemlich schnell zusammenfassen: Die natürliche Ordnung war wieder hergestellt. Nachdem Carsten mich am Vortag ja ziemlich abgehängt hatte, war heute wieder alles so wie früher: In der Ebene fahren wir fast gleich schnell, wenn es hochgeht bin ich definitiv der bessere Kletterer. Nun, zur geographischen Orientierung: Es ging nun durchs
Landesinnere immer nach Süden zum Dorf Randa und von dort ein paar hundert Höhenmeter aufwärts zu einem Kloster. Der Wind hatte nun auch gedreht und kam jetzt -- natürlich!-- aus Süden. Wir hätten vielleicht dem Gott der Radfahrer doch einen Schlauch oder Mantel opfern sollen um ihn gnädig zu stimmen! Nun, wir quälten uns dann nach Süden, 20 km/h waren schon Spitzengeschwindigkeit bei diesem Wind. Ab Randa ging es dann viel besser: Wir waren im Windschatten eines Berges und es ging nur noch Serpentinen aufwärts. Und ich liebe Serpentinen! Also, alles bestens. Die Rückfahrt an die Küste war dann auch klasse, da der Wind weiter aus Süden kam und wir daher Rückenwind hatten. Die gleiche Strecke, auf der wir uns mit 15, 20 Sachen nach Randa gequält hatten fuhren wir jetzt mit knappen 45, 50 zurück. Mannomann. Abends, nach dem Abendessen stand noch eine Audienz bei Gott auf dem Programm: Unser Radverleiher hatte Marcel Wüst (Ex-Radprofi, heute Tour de France Kommentator bei der ARD) den Tag über für eine geführte Radtour (war uns jedoch zu teuer) und eine Fragestunde am Abend engagiert. War ganz nett, die Fragestunde, aber auch ein bisschen mager. Nein, natürlich hat er nie gedopt und Doping bringt auch nicht wirklich was.... Naja, das interessante waren eher die Geschichten aus dem Nähkästchen, so wie er zum Beispiel -- als Sprinter! -- der Deutsche, der am längsten das Bergtrikot trug, wurde.

Nachdem wir den Nordwesten und Zentralmallorca ein gutes Stück weit erradelt hatten, ging es dann am Samstag in den Nordosten. Ersteinmal die Küstenstrasse nach Arta und von dort-- auf einem winzigen Landsträßchen -- zum Kloster Ermite de Betlem. Da selbiges am Ende einer Sackgasse liegt, praktisch kein Verkehr ausser -- natürlich -- Rennradlern. Aber von diesen nicht zu knapp. In Arta ist dann Carsten direkt zurück nach Can Picafort während ich noch eine kleine Runde durchs Hinterland drehen wollte. Eine nicht besonders gute Idee. Die Strasse war nämlich genaugenommen ein Schlagloch, nur stellenweise unterbrochen von Teer. Nichtsdestotrotz war sie auf der Karte, die ich vom Radverleih bekommen hatte, als Rennradroute ausgewiesen. Gut, Mountainbike wäre wohl passender gewesen. Nach 10 km hatte ich das dann hinter mir und nun ging es Richtung Manacor. Kurz vor dem Ort sollte es dann eine Abzweigung zurück zu Küste geben. Habe ich schon einmal erwähnt, dass die Spanier sämtliche Strassenschilder gut tarnen? Auf jeden Fall war ich dann plötzlich in Manacor und alle Strassen schienen nur auf die Schnellstrasse nach Palma zu führen. Also gut, wieder ein paar Kilometer zurück und tatsächlich, da gab es eine Abzweigung. Den Wegweiser konnte man aber wirklich nur sehen, wenn man aus Richtung Manacor kam.

Ja, vielleicht noch was zum Hotel: Eigentlich eine typische Hotelanlage für Mallorca, direkt am Strand und mit Swimmingpool und allem was der Durchschnittstouri so braucht. Nur der Durchschnittstouri war eben mehr oder weniger noch nicht anwesend. Gut, was hätte der auch bei 10, 15 Grad auf Mallorca verloren. Baden ist da nicht drin und alles, was ein Party-Tourist interessant fände war auch noch zu. Nix mit von einer Sangria-Bar zur anderen taumeln. So war dann das Hotel fast ausschliesslich mit Radfahrern bevölkert. Aber da gibt es ja auch verschiedene Typen. Zum einen den unambitionierten Tourenradler, der halt ein bisschen rumgurkt so von Cafe zu Cafe aber bitte nicht zu arg in die Berge. Das sind so ungefähr die Parias. Dann eben den Spass-Rennradler, so wie ich mich und Carsten einschätze. Eben Leute, die schon einen gewissen Ehrgeiz haben in Sachen Kilometer- und Höhenmeterleistung haben, aber noch einen -- so glaube ich -- gesunden Bezug zur Realität. Wobei hin und wieder der Ehrgeiz mit einem schon durchgeht. Am zweiten Tag bin ich nach hundert Kilometern erst mal am Hotel vorbeigerauscht weil ich meine Durchschnittsgeschwindigkeit noch unbedingt auf 23 km/h pushen wollte. Gut, aber für solche Leute hat natürlich der Hardcore-Rennradler nix übrig, denn a) ist ein Durchschnitt von 23 km/h für ihn nur kriechen und b) hundert Kilometer, das macht er am morgen vor dem Frühstück. Natürlich hat der Hardcore-Rennradler auch sein eigenes Rad mitgebracht, denn mit einem Leihrad zu fahren ist einfach nicht cool genug. Gut, im Hotel waren wir Spass-Rennradler glaube ich in der Mehrheit, wenn es auch ein paar von diesen durchgeknallten Typen gab. Diese liesen dann hin und wieder so Kommetare fallen wie "Scheisse, morgen wir das Wetter schlecht und ich muss doch mindestens 200 km fahren". Naja, das Wort müssen gab es für uns nicht. Schliesslich soll es ja auch Urlaub sein. Und so haben haben Carsten und ich dann am Ostersonntag das Radeln geschwänzt, da am Sonntag morgen das Wetter unter aller sau war und so verbrachten wir den Tag dann in Palma.

So, jetzt waren wir schon fast eine Woche auf Mallorca und daher höchste Zeit mal richtig in die Berge zu fahren. Inzwischen waren mir ja Hügel -- nach 10 Monaten in Holland nur eine ferne Erinnerung -- wieder einigermassen vertraut und daher sollte es jetzt richtig los gehen. Also zuerst ging es noch einmal quer durchs Hinterland nach sa Pobla und von dort nach Campanet welches am Fuss der Berge liegt. Von dort dann immer bergauf Coll de Sa Batalla, welcher auf knappen 600 Metern liegt. Schon hier kamen immer mal wieder Autos mit Schnee auf dem Dach bzw. Windschutzscheibe entgegen -- eines sogar mit einem kompletten Schneemann vorne drauf. Und tatsächlich, auf den Bergen rings um uns herum lag tatsächlich Schnee. Glücklicherweise nur ein paar hundert Höhenmeter über uns aber immerhin. Da gibt es ja noch eine Story über Schnee. Eigentlich war ja mein Vorschlag für eine Radtour irgendwas in der Eifel/Pfälzer Wald usw. gewesen. Und dann als Anfang März Carstens Auto schon mal kurz für tot erklärt worden war hatten wir tatsächlich begonnen, eine Tour durch die Vogesen zu planen. Zum Glück war dann sein Auto doch nicht tot und wir konnten den Urlaub in Mallorca buchen (merke, auch Nicht-Doktoranden haben nicht unbeschränkte Reichtümer). Auf jeden Fall, als ich am Samstag nach unserer Tour am Duschen war hörte ich plötzlich hysterisches Gekichere aus unserem Zimmer. Was war geschehen? Nun, Carsten hatte mal unseren Fernseher eingeschaltet und was war die Top-Neuigkeit? Genau, 50 cm Neuschnee im Schwarzwald und somit wohl auch in den Vogesen. Da wären wir wohl nicht weit gekommen... Gut, also zurück zu unserer Tour, vom Coll de Sa Batalla ging es dann auf einer Bergstrasse Richtung Süden, wir wollten den "Krawattenknoten" sehen, einer der legendären Pässe auf Mallorca. Nun, an der Stelle, wo die Strasse zum Krawattenknoten abzweigt war noch nichts zu sehen und ein paar hundert oder so Höhenmeter hinunter um nachher wieder hinaufzufahren war uns dann auch zu mühsam. Daher ging es zurück zum Coll de Sa Batalla und von dort dann weiter auf der Bergstrasse nach Pollenca und von dort wieder die Küste entlang heim. Auch so eine 110 km und knapp 1100 Höhenmeter Tour.

Am Dienstag, unserem letzten Tag, sind wir dann nur noch ein bisschen durchs Hinterland gekurkt. Über Sineu nach Inca. Dort hatte dann Carsten keine Lust mehr und ich bin dann allein weiter, wieder nach Campanet wie schon gestern und von dort sollte es nach Sa Pobla gehen. Sollte. Hab ich schon einmal erwähnt dass in Spanien...? Ja, ich glaube schon mehrfach. Auf jeden Fall habe ich in Campanet die Abzweigung verpasst und bin schlussendlich wieder in Inca gelandet. Nun, da es wohl nicht mehr nach Pollenca und zurück reichen würde, bin ich dann halt auf den nächstgelegenen Berg hochgefahren -- zum Ermita de Santa Magdalena. Wieder so ein Kloster. Danach dann immer der Autobahn entlang nach Sa Pobla und via Muro zurück. Inklusive Verfahren waren es dann auch wieder 115 km.

Zur Heimreise läßt sich kurz sagen: war eine Odysse. Sieben Stunden auf Flughäfen rumhängen, zweieinhalb Stunden Flug und nochmal zwei Stunden Taxi bzw. hier in Holland Zug. Aber bevor ich dazu kam, Zeit auf dem Flughafen totzuschlagen bin ich erst einmal in Can Picafort rumgehangen. Carsten fuhr morgens um halb neun, mein Taxi sollte abends um fünf gehen -- grade so um den Flieger um dreiviertel acht zu erwischen. Gut, so bin ich halt den Tag über etliche male den Strand abgewandert.. Um fünf gings dann Richtung Flughafen. Dummerweise hatte es dann ein ziemlich heftiges Gewitter in Palma, so dass -- nachdem schon alle in den Rollfeldbussen waren -- das Boarding verschoben wurde. Zunächst hiess es um 20 Minuten. Naja, zurück in das Flughafengebäude und warten, warten und warten. Aus 20 Minuten wurden dann eher zwei Stunden. Um neun dann endlich rein ins Flugzeug. Aber dann geht wieder nix weiter. Irgendwann bequemt sich dann eine Stewardess uns mitzuteilen, dass man noch auf Passagiere von anderen Flügen warte, die wegen des Gewitters auf Menorca, Ibiza oder weiss der Geier noch wo landen mussten. Warten, warten und nochmal warten. Eigentlich ist das Flugzeug schon so proppevoll, es können also nicht allzuviele Leute sein. Eine Stunde später tauchen dann die zehn oder so Passagiere auf und es kann losgehen. Um viertel nach zehn -- lockere zweieinhalb Stunden zu spät -- ging es dann endlich los. Um halb eins dann war ich in Amsterdam. Da das Gepäck dann nicht gleich kam, habe ich dann noch zu allem Überfluss noch meinen Zug verpasst und musste noch eine weitere Stunde in Schiphol umherwandern, bis ich um zwei dann endlich aus dem verdammten Ding rauskam. Schlag (ich wohne neben der Kirche) drei Uhr war ich dann endlich daheim.

Fazit: Klasse Urlaub und daher unbedingt wiederholenswert!