Stefans Abenteuer im Land der fehlenden Berge und in der Physik
Über mich
StefanIch bin seit Juni 2007 Doktorand an der TU Delft, Niederlande. Neben (theoretischer) Physik interessiere ich mich für Politik, Bücher aller Art und Radfahren. Für weiteres, siehe meine Homepage.

Samstag, 28. November 2009

Der Tag, an dem wir das Universum entdeckten

Ich habe gerade zwei sehr interessante populärwissenschaftliche Bücher über Kosmologie gelesen: "Big Bang" von Simon Singh (der auch das sehr lesenswerte Buch über Fermats letzen Satz geschrieben hat) und "The day we discovered the universe" von Marcia Bartusiak. Beide Bücher zeichnen den Weg der Entdeckungen nach, die zu unserem heutigen Bild des Kosmos geführt haben. Martusiak's Buch konzentriert sich dabei auf die Entwicklungen in der Astronomie ab Ende des 19. Jahrhunderts bis zu Hubbles Entdeckung der Rotverschiebung entfernter Galaxien im Jahr 1929, während Singh einen großen Bogen von den alten Griechen über Kopernikus und Galilei hin zu Hubble, der Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung und neuesten Erkenntnissen aus den COBE und WMAP Kampagnen spannt. Doch alles der Reihe nach.

Lassen wir doch die Geschichte in der Ende des achtzehnten Jahrhunderts beginnen. Herschel konnte damals erstmals Nachweisen, dass unsere Sonne Teil einer größeren Ansammlung von Sternen ist -- unsere Milchstrasse -- und deren Größe abschätzen. Doch ungefähr zur gleichen Zeit wurden immer mehr nebelartige Gebilde entdeckt. Was waren diese Objekte? Waren sie ein Teil unserer Milchstrasse und stellte die Milchstrasse damit das ganze Universum dar? Oder waren sie eigenständige Galaxien?

Eine wichtige Entdeckung auf ganz anderem Gebiet sollte sich als sehr hilfreich erweisen. Henrietta Leavitt, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts als "Computer" am Harvard Observatorium arbeitete, entdeckte bei der Auswertung von Beobachtungsdaten von variablen Sternen (d.h. Sterne
deren Helligkeit sich mit der Zeit ändert, genauer waren es hier Cepheiden) in der Magellanschen Wolke, dass die Periode ihrer Helligkeitsänderung proportional zu ihrer absoluten Helligkeit war. Sprich je heller ein cepheiden Veränderlicher ist, desto länger die Periodendauer.

Um die Geschichte einigermassen kurz zu halten, kommt nun der Auftritt von Edwin Hubble, der 1919 eine Stelle als Astronom am Mt. Wilson Observatorium in Kalifornien antrat. Zufälligerweise ging dort gerade das leistungsfähigste Teleskop der Welt in Betrieb und Hubble war entschlossen, damit die Frage zu klären, ob die mysteriösen Nebel nun Teil der Milchstrasse waren oder nicht. Ihm gelang es, einige dieser Nebel in Sterne aufzulösen und einige davon als Cepheiden zu identifizieren. Durch die Periodendauer der Helligkeitsschwankung konnte er auf die absolute Helligkeit schliessen. Mit der gemessenen Helligkeit und der Tatsache, dass die Helligkeit eines
Objektes mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, konnte Hubble die Entfernung dieser Sterne und damit des Nebels bestimmen. Ergebnis: Die bisherigen Nebel sind eigenständige Galaxien weit außerhalb unserer Milchstrasse.

Eigentlich reicht solch eine Entdeckung für ein Forscherleben schon aus, doch Hubble konnte diese vier Jahre später noch einmal toppen: Er wies nach, dass je weiter eine Galaxie von uns entfernt ist, desto rotverschobener ihr Licht ist. Was das bedeutet, kennt man eigentlich aus der Alltagserfahrung eines Krankenwagens, der an einem vorbeifährt. Kommt der Krankenwagen auf einen zu, so ist der wahrgenommene Tonlage der Sirene etwas höher, entfernt sich der Krankenwagen, so ist die Tonlage etwas niedriger. Sprich, eine Verschiebung der Tonlage und damit der Wellenlänge ist ein Maß für die Geschwindigkeit eines zu- oder fortbewegenden Objektes. Gleiches trifft nicht nur für Schallwellen zu, sondern auch für Licht. Rotverschiebung bedeutet hier eine Verschiebung zu einer längeren Wellenlänge hin und damit eine Fortbewegung der Galaxien. Doch was bewegt sich hier eigentlich fort? Es ist nicht so, dass sich die Galaxien fortbewegen, wie sich ein fortgeworfener Ball fortbewegt. Vielmehr folgt aus Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, dass sich vielmehr der Raum selbst ausdehnt -- eine Folgerung, die Einstein zwar Jahre vor Hubble theoretisch erreichte, doch zunächst nicht wahrhaben wollte. Damit war ein erstes Indiz erbracht, dass das Universum vor einigen Milliarden Jahren in einem Punkt konzentriert war und sich dann auszudehnen begann -- es gab also einen Big Bang.

In den nächsten Jahrzehnten mußten jedoch noch einige Fragen beantwortet werden, bevor die Big Bang Theorie wissenschaftlicher Konsens wurde -- so war die Entstehung der Elemente ebenso wie das Paradoxon zu klären, dass die Erde scheinbar älter war als das Universum (letzteres beruhte auf falschen Messungen...). Eine endgültige Bestätigung des Big Bangs wurde in den sechziger Jahren erbracht, als Wilson und Penzias die kosmische Hintergrundstrahlung -- eine Art "Nachglühen" des Big Bangs -- entdeckten. Da die Big Bang Theorie diese korrekt und alternative Theorien gar nicht
vorausgesagt hatten ging damit Spiel, Satz und Match (vorläufig, nichts ist sicher in der Wissenschaft) an den Big Bang.

Ist somit alles wesentliche über die Entstehung und den Inhalt unseres Universums bekannt? Ein großes NEIN ist die Antwort. Denn genaugenommen wissen wir bis heute nicht, was die "Dunkle Materie", die den Großteil der Masse des Universums ausmacht und allein durch Gravitation mit gewöhnlicher Materie wechselwirkt, eigentlich genau ist. Aber das ist eine eigene Geschichte, über die ich vielleicht mal später was schreibe.

-----------------------------------------------------------
Simon Singh: Big Bang, dtv
Marcia Bartusiak: The day we discovered the universe, Pantheon Books