Auch dieses Jahr habe ich mich ein paar mal aus den Nano- bzw. Festkörperphysik-Sessions rausgeschlichen um ein bisschen bei den Teilchenphysikern bzw. Fusionsforschern reinzuhören. Dabei fällt auf, wie viel geplanter die Forschung dort abzulaufen scheint. So wissen die Leute am CERN ganz genau, dass sie bis Ende des Jahres entweder das Higgs-Boson gefunden haben werden (ganz große Klasse, Nobelpreise für alle) oder aber wenigstens eine neue Obergrenze für die relevanten Parameter publizieren können (auch nett, aber diesmal keinen Nobelpreis). Ähnlich bei den Fusionsforschern, die auch eine ganz klare Roadmap haben: Noch zehn Jahre an JET rumspielen und den ITER bauen und dann das erste kommerzielle Fusionskraftwerk im Jahr 2035. Damit ist Fusionsenergie, nachdem sie sechzig Jahre lang stets fünfzig Jahre entfernt war, "nur noch" 25 Jahre entfernt. Mal sehen.
Definitives Highlight war der Abendvortrag am Dienstag. Bei Abendvorträgen spricht ein ehrwürdiger Forscher zum Plenum über sein Forschungsgebiet, und da liegt die Krux. Denn nicht alle Top-Forscher sind dazu in der Lage, ein Publikum nach langer Anfahrt, neun Stunden Konferenz und anschliessendem Abendessen noch zu fesseln (ein Beispiel hierzu sei der Sprecher von letztem Jahr, ein besser namenlos bleibender Nobelpreisträger). Doch nicht so Andrei Geim, der diesjährige Sprecher und nebenbei auch der Gewinner des diesjährigen Nobelpreises. Erst einmal, wofür bekam Geim den Preis: Geim hat Graphen entdeckt, was eine einatomige Lage aus Graphit ist -- genaugenommen sieht es, wenn man sich die Molekülstruktur anschaut, fast so aus wie ein Maschendrahtzaun. Graphen hat einige tolle Eigenschaften, die in Zukunft wohl in der Elektronik verwendet werden. Aber im Moment ist Graphen vor allem noch das Spielzeug vieler meiner Kollegen. Geims Vortrag (angeblich derselbe, den er in Stockholm gehalten hat) war dann ziemlich biographisch. Wie er aus Russland via die Niederlande schlussendlich nach Manchester gelangte und wie er oft durch Spielereien (er nennt sie "Friday Night Experiments") vielleicht nicht immer bedeutende Sachen entdeckte. So zum Beispiel die Sache mit dem Frosch: Jeder Stoff entwickelt ein magnetisches Moment, wenn man ihn ins Magnetfeld bringt (Pauliparamagnetismus). Nur normalerweise ist dieses klein und vernachlässigbar. Nicht jedoch, wenn man so ein richtig starkes Magnetfeld hat -- Geim hat dies demonstriert, in dem er einen Frosch im Magnetfeld schweben liess. Aber, um Tierfreunde zu beruhigen:
Before the animal rights activists in the audience start complaining: Let me assure you, the frog survived the experiment unharmed and was later happily reunited with his fellow frogs in the anatonomy course.Dieses "Friday Night Experiment" gab zwar noch nicht den Nobelpreis, aber immerhin den Ig-Nobelpreis (für Forschungen, die einen erst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringen). Aber das ultimative "Friday Night Experiment" war dann wohl die Entdeckung von Graphene selbst, denn was ist Graphen? Eigentlich ist es ja nur eine Atomlage Graphit (also.. ähem.. Kohle). Wenn man diese einfach mit einem Klebeband abziehen könnte... Um eine lange Geschichte kurz zu halten: In der Tat, bis heute stellt man Graphene mit der "scotch tape method" her, sprich man pappt Tesafilm auf ein Graphitkristall, zieht ihn ab und hofft, dass man dabei nur eine Atomlage Kohlenstoff mitnimmt. Scheint zu funktionieren. Einen Nobelpreis für kreative Anwendung von Tesafilm, simpler geht's nicht mehr.
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