Stefans Abenteuer im Land der fehlenden Berge und in der Physik
Über mich
StefanIch bin seit Juni 2007 Doktorand an der TU Delft, Niederlande. Neben (theoretischer) Physik interessiere ich mich für Politik, Bücher aller Art und Radfahren. Für weiteres, siehe meine Homepage.

Freitag, 3. Juni 2011

Seit vier Jahren im Flachland (al vier jaar leef ik in het Nederland)

Am 28. Mai hatte ich meinen vierten In-die-Niederlande-ziehen-Jahrestag. Dazu ein paar Dinge, die ich in den letzten vier Jahren hier gelernt habe:
  1. Für mein seelisches Wohlbefinden sind die Sicht auf Hügel, von Bergen will ich ja gar nicht erst sprechen, unverzichtbar. Leider sind diese hier nahezu unbekannte geographische Objekte. Gut, eigentlich hätte ich ja gewarnt sein können, denn die Niederlande sind ja nicht gerade bekannt für ihre Bergketten (oder hat schon mal jemand vom Utrechter Zentralmassiv gehört?).

  2. Gutes Brot in den Niederlanden zu finden ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das ist, so habe ich es in den letzten Jahren gelernt, ein typisches Statement eines deutschen Expat. Nichts geht über gutes Brot und sachdienliche Hinweise, wo man eben solches finden könnte, werden in den entsprechenden Kreisen hoch gehandelt.

  3. Nederlandse Appeltaart met Slagroom ist einfach die definitive Version von Apfelkuchen. Sorry, Mama.

  4. Nichts macht einen mehr seine ethnische Herkunft bewusst als in einer Umgebung zu leben, in der fast niemand diese mit Dir teilt. Beispiel gefällig? In Deutschland war es nie ein Thema, dass ich kein Bier trinke. Hier werde ich oft mit den Worten "this is Stefan from Germany. And guess what, he doesn't drink beer" vorgestellt. Dass man als Deutscher kein Bier mag, scheint bei den meisten Leuten eine kognitive Dissonanz allererster Güte auszulösen.

  5. Kellner in belgischen Bierkneipen nehmen es einem nicht übel, wenn man immer nur Cola bestellt.

  6. In der indonesischen Küche gibt es nur drei Schärfegrade: Verdammt scharf, kriminell scharf und durch die UNO Chemiewaffenkonvention verboten scharf (für praktische Demonstrationen zu diesem Thema geht dank an Tungky).

  7. Die Niederländer sind geiziger als Schwaben und stolz darauf. Manche gehen sogar so weit zu behaupten, dass sie selbst mit ihrem Date die Rechnung auf den Cent genau aufteilen würden. Angeblich ist der Ausdruck "going Dutch" (getrennt bezahlen) in den USA gang und gäbe -- so geläufig, dass alle Amerikaner, die nicht in den Niederlanden leben, diesen Ausdruck nicht kennen (oder so zumindestens meine praktischen Feldforschungen).

  8. Die Niederländer haben die deutschen Untaten im zweiten Weltkrieg schon lange verziehen -- ausser, dass die Deutschen ihre Fahrräder geklaut haben. "Waar is mijn fiets?" oder "Ik wil mijn fiets terug" bzw. Anspielungen darauf habe ich genug gehört (dank geht hiefür an meinen ewigen Büromitbewohner Marnix).

  9. Deutsche Unimensen sind viel besser als man als Student immer dachte. Denn alle zwei Wochen Kässpätzle für 2 Euro 50 ist nichts im Vergleich zu täglich die gleiche Frikadelle für drei Euro. Daher bin ich in den letzten Jahren zum Vesperbrotmitbringer mutiert.

  10. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, lange Distanzen mit der Bahn zu fahren und mit maximal einer Stunde Verspätung anzukommen.

  11. Auch in den Niederlanden gibt es einen Bible Belt -- dort wohnen die Leute, deren Vorfahren vor dreihundert Jahren das Schiff nach Pennsylvania verpasst haben.

  12. Das Englischniveau eines durchschnittlichen Deutschen im Vergleich zum durchschnittlichen Nederlander: Abgrundtief schlecht (daher: It's a long way -- start walking).

  13. Die Geldkarte (dieser Chip auf der Bankkarte, der in Deutschland von niemandem benutzt wird) kann man tatsächlich für Bezahlungen benutzen.

  14. Durchschnittlich wird einem 0.25 Fahrräder pro Jahr geklaut (so zumindestens das Ergebnis meines langjährigen Selbstversuchs -- seit zwei Wochen bin ich Fussgänger)

  15. Je mehr Sprecher eine Sprache hat, desto grösser die Paranoia derselben, dass Englisch in allernächster Zukunft ihre Sprache verdrängen wird.

  16. Der Geburtstag der Monarchin wird nicht an ihrem Geburtstag gefeiert.

  17. In den Niederlanden sieht man keine Wohnwägen mit niederländischen Kennzeichen -- im Gegensatz zum Rest von Europa.

  18. Technische Universitäten sind nicht gerade für ihr ausgewogenes Geschlechterverhältnis und lebendiges Kulturleben bekannt.

  19. Und zu guter Letzt: Ich hätte die Uni verlassen sollen, so lange es mir noch Spass machte.